Praxisprojekt

Face2Face: Die BM Checkers

 

Organisation/Träger: Paritätisches Bildungswerk BV. e.V.

Schlagworte: Migration, Behinderung, Nicht-Behinderung, Inklusion, Diskriminierung, Mehrfachdiskriminierung, Zugang, Barrierefreiheit

Zielgruppe: Jugendliche mit und ohne Behinderung, mit und ohne Migrationsgeschichte; Jugendangebote und –einrichtungen

Projektzeitraum: 01. Februar 2012 bis 31. Juli 2013

Kurzbeschreibung: Die BM-Checkers sind ExpertInnen in eigener Sache: Jugendliche mit und ohne Behinderung, mit und ohne Migrationsgeschichte, sowie Jugendliche mit Behinderung und Migrationsgeschichte checken Jugendangebote in ihrer Umgebung auf Inklusivität (bezüglich Behinderung und Migrationsgeschichte). In Hessen werden an 5 Standorten Teams gebildet (mit jeweils 10-15 Personen), die aus sich bereits engagierenden Jugendlichen und Jugendlichen mit Migrationshintergrund und/oder Behinderung bestehen. Als ExpertInnen überprüfen sie Jugendangebote in ihrer Umgebung auf Inklusivität. Sie erarbeiten konkrete Änderungsvorschläge, sowie barrierefreie Materialien über Jugendangebote für Jugendliche mit Migrationshintergrund und/oder Behinderung. Durch Austausch findet ein regionaler Transfer statt, von dem Anbieter der Jugendbildung enorm profitieren. Sie erhalten die Möglichkeit, ihre Angebote von einer jugendlichen ExpertInnengruppe überprüfen zu lassen und direktes Feedback zu erhalten. Durch die Einbeziehung Jugendlicher aus dem europäischen Ausland erhält das Projekt eine europäische Dimension, die neuen Input und Anerkennung bietet. Sie bringt „Europa“ ganz nah an die Jugendlichen heran, während sie sich in einem emotional sicheren Umfeld aufhalten.

 


 

Ausführliche Projektdarstellung:

Motivation: In dem vom Paritätischen Bildungswerk BV. e.V. 2010 durchgeführten Projekt „face2face – Sag PolitikmacherInnen Deine Meinung“ äußerten sechs geistig behinderte Jugendliche den Wunsch, mehr Freizeitangebote zu haben. Fünf davon hatten einen Migrationshintergrund. Wie sich herausstellte, sind viele Angebote für Jugendliche auf „Mainstream“ ausgelegt. Jugendliche mit Migrationshintergrund und Behinderung fühlen sich davon oft nicht angesprochen, selbst wenn dies von den Anbietern so gewünscht ist. Tatsächlich gab es kaum Angebote, die die Jugendlichen hätten nutzen können – selbst wenn sie davon gewusst hätten. Bei der Konzeption eines spezifischen Angebots stießen wir –Organisatoren und Jugendliche- auf vielfältige Barrieren: einige der Jugendlichen mit Migrationshintergrund durften die Wegstrecken nicht alleine zurücklegen, bei Mädchen wurde von Elternseite teils eine weibliche Bezugsperson erwartet. Ferienangebote fanden während des Ramadan statt, Projektwochen schlossen zeitlich – aber nicht inhaltlich oder strukturell- das Opferfest mit ein. Ein Großteil der Jugendhäuser und –begegnungsorte ist für RollstuhlfahrerInnen nicht barrierefrei, JugendarbeiterInnen sind wenig sensibilisiert auf Bedürfnisse Blinder, Hörgeschädigter oder Jugendlicher mit Sprachschwierigkeiten. Die Jugendlichen mit -in diesem Fall muslimischem- Migrationshintergrund und Behinderung stießen also auf noch viel mehr Barrieren, als Jugendliche, die keines oder nur eines dieser Merkmale aufweisen. Dadurch können sie ihre Fähigkeiten nicht einbringen, vorhandene Ressourcen im künstlerischen und menschlichen Bereich nicht teilen und nicht oder kaum von den vorhandenen Angeboten profitieren. Auch konnten wir feststellen, dass im Rahmen der Integration die Jugendlichen oft in Gruppen aufgeteilt werden. Für Jugendliche mit wenigen Deutsch-Kenntnissen gibt es spezifische Angebote, Behinderte werden getrennt von Nicht-Behinderten beschult, Bildungserfolgreiche treffen selten auf weniger Erfolgreiche. Dem wirken wir mit einem inklusiven Ansatz entgegen. Die Jugendlichen können sich untereinander bestärken und neue Kompetenzen bei sich entdecken.

Die Ziele: 

  1. Angebote der Jugendarbeit werden auch für Jugendliche mit Migrationshintergrund und Behinderung attraktiv gestaltet
  2. Mehr Jugendliche mit Migrationshintergrund und Behinderung nutzen die Angebote
  3. Jugendliche werden darin gestärkt, ihre Interessen zu vertreten. 
  4. Benachteiligte Jugendliche bestärken sich gegenseitig in ihren Kompetenzen
  5. Jugendliche erfahren Inklusion hautnah in ihrer Arbeit als „BM-Checker“

Die Zielgruppe: Die Hauptzielgruppe der “BM-Checkers” sind Jugendliche mit Migrationshintergrund und Behinderung. Diese spezielle Gruppe wird in Hessen bislang kaum in den Fokus genommen und bringt ganz spezielle Bedürfnisse mit. Oft führt das dazu, dass eines der Merkmale in den Hintergrund geschoben wird. Dazu kommt, dass sowohl Migrationsgeschichte als auch Behinderung meist defizitär ausgelegt werden und zu selten ressourcenorientiert. Diese Ressourcen gilt es bei “BM Checkers” zu entdecken, zu nutzen und hervorzuheben. “BM-Checkers” basiert auf einem inklusiven Ansatz. Daher werden außer der Hauptzielgruppe alle interessierten Jugendlichen einbezogen – auch ohne Migrationsgeschichte und/oder Behinderung. Die Besonderheit Das Besondere an „BM-Checkers“ liegt in der Zusammensetzung der Teams. Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund, Jugendliche mit und ohne Behinderung, Jungen, Mädchen, HauptschülerInnen und GymnasiastInnen - alle arbeiten auf ein gemeinsames Ziel hin: die Situation für Jugendliche mit Migrationshintergrund und Behinderung in der Jugendarbeit und -bildung zu verbessern. Alle Jugendlichen können sich hier in einer neuen Rolle erfahren. Das Aufeinandertreffen Jugendlicher unterschiedlicher Lebenswelten birgt für den Einzelnen neue Perspektiven aber auch einen neuen Blick auf die eigene Situation. So werden benachteiligte Jugendliche nicht defizitär wahrgenommen, sondern haben ExpertInnenstatus. Bei GymnasiastInnen zählt nicht schulische Leistung, sondern soziale Kompetenz. Sie können neue Erfahrungen sammeln, verborgene Fähigkeiten entdecken und gegenseitiges Verständnis weiterentwickeln. „…und da wurde ich gefragt, ob ich Ausländer wirklich behindert wäre oder nur so täte um Mitleid zu erregen.“ (Teilnehmer face2Polizei 2011) Das Projekt ist nachhaltig, da durch die konkreten Absprachen mit Veranstaltern, diverse Angebote inklusiver gestaltet werden. Benachteiligte Jugendliche erfahren mehr von den vielfältigen Jugendangeboten und bekommen signalisiert, dass sie gewollt sind.

Die Methoden: Das Projekt ist konsequent auf Methoden der außerschulischen Jugendarbeit aufgebaut. Die Teilnahme am Projekt erfolgt auf freiwilliger Basis und ist teilnehmerInnen-orientiert. Jugendliche sind in jedem Stadium des Projekts an Entscheidungen beteiligt. „Ich fand´s toll, dass wir mitentscheiden konnten und ernst genommen wurden. Das hat richtig motiviert!“ (Teamer face2face2011) Jugendliche werden als ExpertInnen wahrgenommen und können ihr ExpertInnenwissen strukturiert aufbereiten und an Träger der Jugendarbeit und –bildung weitergeben. Ein reger interkultureller und überregionaler Austausch zwischen den Jugendlichen eröffnet neue Perspektiven, hebt Stärken und Ressourcen hervor und zeigt Handlungsalternativen auf.

Die Träger und ProjektmitarbeiterInnen: Seit 2010 führt das Paritätische Bildungswerk Bundesverband e.V. - unter dem von Jugendlichen entwickelten „Label face2face“ - Jugendbeteiligungsprojekte durch („face2face –Sag PolitikmacherInnen Deine Meinung!“ 2010; „face2face-Polizei“ seit 2010; „face2face – Zeige Deinen Stand.punkt“ 2011). 

 

Kontakt: Iris Bawidamann, Tel.: 069-6706-230 bawidamann[at]pb-paritaet.de; Stefanie Becker, Tel.: 069-6706-273 becker[at]pb-paritaet.d.

Links: Website des Projekts: http://www.face2face-ffm.de/ ; Website des Trägers: http://www.bildungswerk.paritaet.org

 

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